CSDDD: Neue EU-Regeln für gleich lange Spiesse bei der Nachhaltigkeits-Sorgfaltsprüfung von grossen Unternehmen
Welche neuen Sorgfaltspflichten führt die EU-CSDDD für Unternehmen ein und wie können sich Unternehmen darauf vorbereiten?
Am 24. April 2024 gab das EU-Parlament grünes Licht für die Einführung neuer Verpflichtungen für Unternehmen in Bezug auf negative Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt. Daraufhin haben am 24. Mai die EU-Mitgliedstaaten im Rat der EU die Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, kurz CSDDD oder CS3D) final verabschiedet. Mit der Richtlinie vereinheitlicht die EU die Anforderungen an Grossunternehmen. Am 5. Juli erfolgte die Publikation im EU-Amtsblatt und der Beginn der zwanzigtägigen Frist bis zum Inkrafttreten der Richtlinie. Nun haben die EU-Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen bzw. zu integrieren. Im Folgenden geben wir einen Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten für Unternehmen.
1) Welche Unternehmen werden von der CSDDD erfasst?
Direkt in den Anwendungsbereich der CSDDD fallen folgende Unternehmen:
EU-Unternehmen mit mehr als 1'000 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als 450 Mio. EUR
Nicht-EU-Unternehmen (einschliesslich Schweizer Unternehmen) mit einem in der EU erzielten Nettoumsatz von mehr als 450 Mio. EUR
Indirekt betroffen von der CSDDD sind die direkten und indirekten Geschäftspartner in der Wertschöpfungskette der Unternehmen, die direkt von der CSDDD betroffen sind. Im Rahmen der Sorgfaltspflicht werden diese Unternehmen Aufgaben, die sich aus ihrer Sorgfaltsprüfung ergeben, an ihre Wertschöpfungskette weitergeben und ihre Erwartungen an direkte und indirekte Geschäftspartner und Lieferanten erhöhen.
Die Anwendung der neuen Vorschriften erfolgt gestaffelt zwischen 2027 und 2029, je nach Grösse des Unternehmens: Die grössten Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als 1,5 Mrd. EUR müssen die neuen Vorschriften ab 2027 anwenden. Ab 2029 werden Unternehmen mit mehr als 1'000 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von 450 Mio. EUR in den Anwendungsbereich der Sorgfaltspflichten fallen.
2) Was ist der Umfang der Sorgfaltspflichten?
Die CSDDD sieht vor, dass sich die Sorgfaltspflichten der Unternehmen auf den eigenen Betrieb, die gesamte vorgelagerte Wertschöpfungskette und Teile der nachgelagerten Wertschöpfungskette erstrecken:
3) Welche Verpflichtungen ergeben sich aus der CSDDD?
Auf der Grundlage der CSDDD müssen die Unternehmen risikobasierte Sorgfaltsprüfungen durchführen, die folgende Aspekte umfasst:
Unternehmenspolitik (Richtlinien) und Managementsysteme: Integration der Sorgfaltspflicht in alle relevanten Richtlinien und Risikomanagementsysteme und Einführung einer Sorgfalt-Policy , um risikobasierte Sorgfaltsprüfungen zu gewährleisten;
Bewertung von Risiken und Auswirkungen: Ermittlung, Bewertung und Priorisierung tatsächlicher und potenzieller negativer Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt;
Massnahmen: Ergreifen von Massnahmen zur Vermeidung und Abschwächung potenzieller Auswirkungen und zur Minimierung oder Beendigung tatsächlicher negativer Auswirkungen;
Abhilfe: Abhilfe für tatsächliche negative Auswirkungen schaffen;
Einbezug von Stakeholdern: sinnvoller Einbezug der relevanten Stakeholder wie Mitarbeitenden, Gewerkschaften, Konsument:innen, NGOs, Gemeinschaften oder anderen Personen, deren Rechte oder Interessen betroffen sein könnten;
Beschwerden: Einrichtung und Betrieb eines Meldemechanismus und eines Beschwerdeverfahrens;
Überwachung der Wirksamkeit der Sorgfaltspolitik und -massnahmen
Bericht: Öffentliche Kommunikation durch einen jährlichen Bericht über die Sorgfaltsprüfung. Unternehmen, die der EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) unterliegen, werden ihren Berichtspflichten bereits über die CSRD nachkommen (keine zusätzliche Berichterstattung erforderlich).
Darüber hinaus müssen die Unternehmen einen Plan zur Minderung der Folgen des Klimawandels annehmen und umsetzen, um sicherzustellen, dass das Geschäftsmodell und die Unternehmensstrategie mit der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5° C vereinbar sind.
4) Welche Menschenrechts- und Umweltauswirkungen werden von der CSDDD erfasst?
Die von der CSDDD abgedeckten Auswirkungen auf die Menschenrechte sind im Anhang - Teil I aufgeführt und umfassen:
Das Recht auf Leben, das Verbot von Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung sowie das Recht auf Freiheit und Sicherheit;
Das Verbot willkürlicher oder rechtswidriger Eingriffe in das Privatleben, die Familie, die Wohnung oder die Korrespondenz einer Person und rechtswidriger Angriffe auf ihre Ehre oder ihren Ruf;
Das Verbot der Beeinträchtigung der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit;
Das Recht auf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen, einschliesslich eines gerechten und existenzsichernden Lohns/ existenzsichernden Einkommens;
Das Verbot, den Zugang der Arbeitnehmenden zu angemessenem Wohnraum und zu angemessener Nahrung, Kleidung, Wasser und sanitären Einrichtungen am Arbeitsplatz zu beschränken;
Schutz der Rechte von Kindern und Verbot von Kinderarbeit, einschliesslich der schlimmsten Formen von Kinderarbeit;
Das Verbot von Zwangs- oder Pflichtarbeit und das Verbot aller Formen von Sklaverei;
Das Recht auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, das Recht, sich zu organisieren und Tarifverhandlungen zu führen;
Das Verbot der Ungleichbehandlung in der Beschäftigung, einschliesslich des Rechts auf gleiches Entgelt für gleiche Arbeit und auf Nichtdiskriminierung;
Das Recht von Einzelpersonen, Gruppen und Gemeinschaften auf Land und Ressourcen sowie darauf, nicht ihrer Existenzmittel beraubt zu werden, was das Verbot der widerrechtlichen Vertreibung oder der widerrechtlichen Inbesitznahme von Land, Wäldern und Gewässern beim Erwerb, bei der Entwicklung oder bei einer anderweitigen Nutzung umfasst.
Das Verbot, messbare Umweltschädigungen wie schädliche Bodenveränderung, Wasser- oder Luftverschmutzung, schädliche Emissionen, übermäßigen Wasserverbrauch, Landschädigung oder andere Auswirkungen auf natürliche Ressourcen wie Entwaldung zu verursachen, die den Zugang der Menschen zu Nahrungsmitteln, Trinkwasser, sanitären Einrichtungen, Gesundheit, Sicherheit und Landnutzung beeinträchtigen oder die Ökosystemleistungen, die für das menschliche Wohlergehen wichtig sind, erheblich beeinträchtigen.
Weitere Umweltauswirkungen, die von der CSDDD erfasst werden, sind im Anhang - Teil II der CSDDD aufgeführt.
5) Wie wird die CSDDD durchgesetzt?
Durch Untersuchungen der nationalen Aufsichtsbehörden und die Verhängung von Sanktionen:
Jeder EU-Mitgliedstaat wird eine oder mehrere Aufsichtsbehörden benennen, die die Einhaltung der im nationalen Recht festgelegten Verpflichtungen durch die Unternehmen überwachen. Die Behörden sind befugt, von den Unternehmen Informationen zu verlangen und Untersuchungen im Zusammenhang mit der Erfüllung der gesetzlichen Sorgfaltspflichten durchzuführen. Die Untersuchungen können von den Behörden selbst oder aufgrund begründeter Bedenken von Einzelpersonen oder Organisationen angestossen werden. Die EU-Mitgliedstaaten legen die Regeln für die Sanktionen fest, die "wirksam, verhältnismässig und abschreckend" sein müssen. Die Geldstrafen werden auf der Grundlage des weltweiten Nettoumsatzes des Unternehmens festgelegt.
Durch die zivilrechtliche Haftung für die Schäden, die Einzelpersonen zugefügt werden:
Gemäss der CSDD müssen die EU-Mitgliedstaaten sicherstellen, dass ein Unternehmen für Schäden, die einer Person zugefügt wurden, haftbar gemacht werden kann. Die zivilrechtliche Haftung gilt für Fälle, in denen das Unternehmen vorsätzlich oder fahrlässig die Verpflichtungen zur Vermeidung potenzieller nachteiliger Auswirkungen oder zur Beendigung tatsächlicher nachteiliger Auswirkungen nicht erfüllt hat. Ein Unternehmen kann jedoch nicht haftbar gemacht werden, wenn der Schaden allein von seinen Geschäftspartnern in der Wertschöpfungskette verursacht wurde. Die betroffene Person hat das Recht auf vollständige Entschädigung für den entstandenen Schaden in Übereinstimmung mit dem nationalen Recht (keine Überkompensation oder Strafschadensersatz).
6) Wie können sich Unternehmen auf die Umsetzung der CSDDD vorbereiten?
Die menschenrechtsbezogenen Verpflichtungen der CSDDD orientieren sich weitgehend an internationalen Standards zur menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfung (HRDD), wie den UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs) oder den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen.
Unternehmen, die eine Sorgfaltsprüfung nach diesen Standards durchführen, sind gut vorbereitet auf die Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus der CSDDD ergeben. Weitere Informationen zur Umsetzung der CSDD finden Sie im praktischen Leitfaden von focusright für Unternehmen.