KVI-Gegenvorschlag: Was Unternehmen wissen müssen
Was Unternehmen über den Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative wissen müssen
Nach dem Nein zur Konzernverantwortungsinitiative (KVI) in der Schweiz im Jahr 2020 ist der parlamentarische Gegenvorschlag im Januar 2022 in Kraft getreten. Was bedeutet diese neue Regelung für die Unternehmen in der Schweiz? Nachfolgend haben wir die wichtigsten Fragen und Antworten für Sie zusammengestellt.
Welche Fristen gelten für die Umsetzung?
Der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments zur Konzernverantwortungsinitiative ist vom Bundesrat umgesetzt worden. Die Ausführungsverordnung und ihr erläuternder Bericht, welche die offenen Details der neuen Sorgfaltspflichten klären, wurden im Dezember 2021 veröffentlicht. Die neuen gesetzlichen Anforderungen traten im Januar 2022 in Kraft. Nach einer einjährigen Übergangsfrist werden die neuen Pflichten erstmals im Geschäftsjahr 2023 zur Anwendung kommen, wobei die ersten Berichte Anfang 2024 veröffentlicht werden.
Was wird von Unternehmen gefordert?
Im Rahmen der Berichterstattungspflicht müssen Unternehmen jährlich über nichtfinanzielle Belange in den Bereichen Umwelt (insbesondere CO2-Ziele), Sozialbelange, Arbeitnehmerbelange, Menschenrechte und Korruption berichten.
Im Rahmen der Sorgfalts- und Berichterstattungspflicht zu Konfliktmineralien und Kinderarbeit sind Unternehmen verpflichtet, ein umfassendes Managementsystem zur Sorgfaltsprüfung umzusetzen und jährlich zu berichten.
Die Sorgfalts- und Berichterstattungspflicht umfasst grundsätzlich die gesamte vorgelagerte Lieferkette, einschliesslich der eigenen Geschäftstätigkeit und allen Wirtschaftsakteuren, die von der Rohstoffgewinnung bis zur Verarbeitung des Endprodukts beteiligt sind.
Was sind mögliche Sanktionen?
Bei Verletzung der Berichtspflicht über nichtfinanzielle Informationen sowie über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten im Bereich Konfliktmineralien und Kinderarbeit droht eine Busse von bis zu CHF 100'000.-.
Was fordert die neue Berichterstattungspflicht?
Die Berichterstattungspflicht verpflichtet das oberste Leitungs- oder Verwaltungsorgan des Unternehmens, jährlich über nichtfinanzielle Aspekte der Geschäftstätigkeit Rechenschaft abzulegen und darüber zu berichten. Folgende Elemente sollen darin enthalten sein:
Beschreibung des Geschäftsmodells und der Wertschöpfungskette
Angaben zu den verfolgten Konzepten (Strategien, Massnahmen, Prozesse) inkl. der angewandten Sorgfaltsprüfung
Darstellung der Massnahmen und Bewertung ihrer Wirksamkeit
Beschreibung der wesentlichen Risiken, die durch die eigene Geschäftstätigkeit, Geschäftspartner, Produkte und Dienstleistungen entlang der Wertschöpfungskette verursacht werden
Angaben zu nichtfinanziellen Leistungsindikatoren
Ein Verzicht auf Berichterstattung über einzelne Elemente ist zulässig, muss aber klar erklärt und begründet werden («comply or explain»)
Was ist eine Sorgfaltsprüfung?
Vereinfacht gesagt geht es bei der Sorgfaltsprüfung darum, in sechs Schritten Risiken und negative Auswirkungen zu identifizieren, entsprechende Massnahmen zu ergreifen und darüber zu berichten. Wir empfehlen den Unternehmen, sich bei der Umsetzung gemäss internationalen Standards die folgenden Fragen zu stellen:
Im Rahmen der Sorgfaltspflicht müssen Unternehmen ihre Risiken entlang der vorgelagerten Lieferkette systematisch analysieren und geeignete Massnahmen ergreifen, um negative Auswirkungen auf die Menschenrechte zu verhindern, abzumildern und zu beenden. Gemäss den neuen gesetzlichen Bestimmungen sind die betroffenen Unternehmen ausserdem verpflichtet, ein internes System zur Rückverfolgung der Lieferkette von Produkten und Dienstleistungen einzuführen, bei denen ein Zusammenhang mit Konfliktmineralien und Kinderarbeit festgestellt wurde.
Was sind die ersten Schritte für ein Unternehmen?
Viele Unternehmen haben bereits verschiedene Massnahmen und Prozesse im Zusammenhang mit den gesetzlichen Anforderungen ergriffen, zum Beispiel im Arbeitsschutz oder zur Prävention von Kinderarbeit. Ein guter Ausgangspunkt ist daher die Durchführung einer Gap-Analyse, um zu evaluieren, inwieweit ein Unternehmen den Anforderungen an die Sorgfaltsprüfung, die Berichterstattung und an die neuen rechtlichen Bestimmungen genügt. Basierend darauf kann ein wirkungsvoller Massnahmenplan entwickelt werden. focusright hat ein Tool entwickelt, um Unternehmen mit unserer Expertise und Praxiserfahrung dabei zu begleiten und zu unterstützen.
Welche Unternehmen sind betroffen?
Die Berichterstattungspflicht gilt für Publikumsgesellschaften und grosse Finanzinstitute mit mindestens 500 Mitarbeitenden und einer Bilanzsumme über 20 Mio. CHF oder einem Umsatz von 40 Mio. CHF in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren.
Die Sorgfalts- und Berichterstattungspflicht zu Konfliktmineralien gilt für alle Unternehmen ab bestimmten Einfuhr- bzw. Bearbeitungsmengen von Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold (gemäss Anhang 1 der Ausführungsverordnung).
Die Sorgfalts- und Berichterstattungspflicht zur Kinderarbeit gilt für Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen anbieten, bei denen ein «begründeter Verdacht» besteht, dass sie unter Einsatz von Kinderarbeit hergestellt oder erbracht wurden. Ausnahmen von der Sorgfalts- und Berichterstattungspflicht gibt es für:
KMUs: Unternehmen, die in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren zwei der folgenden Werte unterschreiten: 250 Mitarbeitende; Bilanzsumme von insgesamt CHF 30 Mio.; Umsatz von CHF 40 Mio.
Unternehmen mit geringen Risiken, die Produkte und Dienstleistungen nur aus Ländern beziehen, die vom UNICEF Children’s Rights in the Workplace Index als «Basic» eingestuft sind.
Die Ausnahmen gelten nicht für Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen anbieten, bei denen offensichtlich Kinderarbeit zum Einsatz kommt.
Unternehmen, die international anerkannte Standards zu Konfliktmineralien oder Kinderarbeit (in Anhang 2 der Verordnung aufgeführt) in ihrer Gesamtheit umsetzen, sind ebenfalls von den neuen gesetzlichen Anforderungen ausgenommen.
Was ist mit den anderen Unternehmen?
Parallel zu den rechtlichen Entwicklungen üben auch Investoren, Konsumenten und Geschäftskunden (B2B), zunehmend Druck auf Unternehmen aus, verantwortungsvoll zu handeln. Im Rahmen der neuen Sorgfaltspflichten werden insbesondere Unternehmen, die direkt unter das neue Gesetz fallen, die Sorgfaltspflichten an die Unternehmen in ihrer Lieferkette weitergeben. So werden viele Unternehmen indirekt von den erhöhten Anforderungen betroffen sein und sollten sich ebenfalls darauf vorbereiten, diese zu erfüllen.
Was ist Kinderarbeit?
Das Gesetz bezieht sich auf die Definition der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zu missbräuchlicher Kinderarbeit. Grundsätzlich darf das Mindestalter zur Beschäftigung von Minderjährigen nicht unter 15 Jahren liegen und die Arbeit darf das Kind nicht vom Schulbesuch abhalten. Für gefährliche und gesundheitsgefährdende Arbeiten gelten besondere Schutzbedingungen.
focusright hat ein Q&A über Kinderarbeit erstellt, um Unternehmen bei ihrer Sorgfaltsprüfung zu unterstützen.
Was sind Konfliktmineralien?
Analog zur EU-Verordnung zu Konfliktmineralien definiert das Gesetz Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold enthaltende Mineralien oder Metalle aus Konflikt- und Hochrisikogebieten als Konfliktmineralien. In politisch instabilen Gebieten können mit dem Handel von Mineralien bewaffnete Gruppen finanziert, Zwangsarbeit und andere Menschenrechtsverletzungen gefördert und Korruption und Geldwäsche unterstützt werden.
Mehr Informationen finden sie auch in den OECD-Leitsätzen zu Konfliktmineralien.